Nachgefragt: Sparpaket trifft HIV - Positive hart!
(Gaybrandenburg – Aktuell) Vor der Sommerpause beschloss die Bundesregierung ein Sparpaket, welches die maroden Staatsfinanzen vor dem Kollaps retten soll. Nebenher wird noch am Projekt Kopfpauschale der schwarz – gelben Regierungskoalition gewerkelt. Über Auswirkungen von Kopfpauschale und Sparpaket der Bundesregierung sprach Gaybrandenburg mit Ute Hiller. Sie ist seit Januar Geschäftsführerin der Berliner Aids - Hilfe e.V.
Frau Hiller erklären Sie mir bitte in drei Sätzen die Kopfpauschale…
Es gibt einen gleich hohen Krankenkassenbeitrag für alle. Der der viel verdient, also zum Beispiel der Bankmanager, bezahlt genauso viel an Beiträgen in die Krankenkasse, wie diejenige die ganz wenig verdient. Also möglicherweise die Verkäuferin vom Discounter nebenan. Das Ganze soll dann „sozial abgefedert“ werden.
Hört sich tatsächlich einfach an….
Das Problem ist, dass mit der Kopfpauschale unter anderem weitere Behördengänge für Hilfebedürftige notwendig werden. Mein Verdacht ist dass man hier zusätzliche Verwaltungsstrukturen schaffen wird.
Können Sie konkret machen, was sich ändern wird?
Nehmen wir zum Beispiel den Bedarf an Rehabilitierungsmaßnahmen. Für Chronisch Kranke wird die Beantragung jetzt ganz schwierig. Leistungen die vorher gesetzlich festgeschrieben waren, werden jetzt auf ihre Notwendigkeit geprüft. Das heißt, aus der Regelleistung ist eine Kann - Bestimmung geworden. Die Betroffenen müssen sich zukünftig mit der zuständigen Sachbearbeiterin oder dem Sachbearbeiter auseinandersetzen, um etwas aktiv für ihre Gesundheit tun zu können. Eine Flut von Widersprüchen durch negative Bescheide ist vorprogrammiert. Das bedeutet lange Wege für alle beteiligten Seiten. Da werden viele Betroffene vor einem noch größeren Berg Problemen sitzen, als dies jetzt schon der Fall ist.
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Billiger wird das ganze sicherlich auch nicht….
…nein, im Gegenteil. Es ist ja jetzt schon so, dass Arbeitsagenturen die Zahlung von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten ablehnen. Die Belastungsgrenze für Zuzahlungen, die sogenannte Chronikerregel, wird zukünftig von 1% auf 2 % des Bruttoeinkommens steigen. Leidtragende der Reformen sind im jeden Fall Chronisch Kranke, zu denen HIV - Positive ja zählen.
Also bringt die Reform noch höheren Beratungsbedarf für Betroffene?
Das ist zu befürchten. Wir verzeichnen derzeit über 7.000 Beratungskontakte im Jahr. Die Reform stellt neue Bedingungen und ein Mehr an Arbeit insbesondere für unsere Rechts- Sozial- und Schuldnerberatung dar. Man darf auch die emotionale Begleitung nicht unterschätzen. Viele Betroffene sind auf unser Angebot der Lebensbegleitung angewiesen.
Aber nicht nur die Reform wirkt sich auf unseren Aufgabenbereich aus. Auf Grund der sich veränderten therapeutischen Möglichkeiten bei HIV/ Aids ist Beratung und Begleitung von HIV-Positiven zu einer längerfristigen Angelegenheit geworden. Aus der ehemaligen Sterbebegleitung ist eine Lebenshilfe geworden.
Können Sie einschätzen, wie viele Brandenburger die Angebote der Berliner Aids-Hilfe wahrnehmen?
Wir erheben schon aus Datenschutzgründen keine Herkunftsangaben der Hilfesuchenden. Aber unsere Erfahrung ist, dass Brandenburger die sehr gut ausgebaute Infrastruktur in Berlin nutzen. Die Betroffenen gehen hier zum HIV – Arzt und nehmen dann unsere weitergehenden Angebote wahr.
Wenn Sie die Reform reformieren könnten, was würden Sie tun?
Der größte Teil des Sparpakets der Bundesregierung erscheint sehr virtuell. Da werden Einnahmen vorgerechnet, die es so noch gar nicht gibt. Die Gefahr ist, dass Menschen die sich nicht wehren können am Ende mehr zahlen werden, als diejenigen denen sich Auswege aller Art bieten. Es ist nicht hinzunehmen, dass man sich für 7% Mehrwertsteuer in feinen Hotels betten kann und wirklich Bedürftige 19 % Mehrwertsteuer für lebensnotwendige Medikamente zahlen.
Hier muss die Gesellschaft massiven Widerstand organisieren. Bei diesem Widerstand sind wir als Berliner Aids - Hilfe gerne dabei.