Verfassungsgericht rügt erneut Schlechterstellung von Lebenspartnern
Bundesverfassungsgericht widerlegt CSU-Argumentation zum Ehegattensplitting für Homosexuelle
(gayBrandenburg-Rat und Tat) Das Bundesverfassungsgericht hat heute eine weitere Entscheidung veröffentlicht, wonach auch bei der Grunderwerbssteuer Eingetragene Lebenspartner rückwirkend mit Eheleuten gleichgestellt werden müssen (Az. 1 BvL 16/11). Dies ist nun das 4. Verfahren, dass die Bundesregierung seit Beginn der sitzungsfreien Zeit verloren hat: Wahlrecht, Asylbewerberleistungsgesetz und zwei mal Lebenspartnerschaft. Schwarz-Gelb steht mit der wohl Verfassung auf Kriegsfuß! - äußerte sich heute Volker Beck, parl. Geschäftsführer der Grünen zu der Entscheidung.
Wer das heutige Urteil des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts (hier im Bild) zur Grunderwerbssteuer liest, kann sich an 5 Fingern ausrechnen, was das Bundesverfassungsgericht über das Einkommenssteuerrecht für Eingetragene Lebenspartner denkt: Die Ungleichbehandlung im Steuerrecht ist seit 1.8.2001 verfassungswidrig! Die Blockade der Union gegen die Gleichstellung richtet sich gegen das Grundgesetz.
Dieses Urteil ist ein erneuter Schlag auf den Hinterkopf für die schwarz-gelbe Koalition. Das Verfassungsgericht hat die Regelung von Schwarz-Gelb im Jahressteuergesetz von 2010 für unzureichend und verfassungswidrig erklärt. Für die CDU ist dieses erneute Urteil ein Weckruf – für die FDP eine neue peinliche Schlappe. Die Koalition muss nun bei der Grunderwerbssteuer nachbessern und auch rückwirkend bis 2001 gleichstellen. Damit ist klar: Auch bei der Einkommenssteuer muss die Koalition sofort und rückwirkend bis 2001 die Diskriminierung zu beenden.
Das Gericht stellt in dem Urteil klar, dass eine Ungleichbehandlung von Eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe nicht zu rechtfertigen ist. Herrn Schäuble hat das Gericht unzweideutig ins Stammbuch geschrieben: Die "Schlechterstellung der Lebenspartner gegenüber den Ehegatten" kann nicht "mit der in Artikel 6 Absatz 1 GG verankerten Pflicht des Staates, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern, gerechtfertigt werden."
Damit hat nun auch der erste Senat des Gerichtes die ständige Rechtsprechung des 2. Senates des Bundesverfassungsgerichts bestätigt, wonach der besondere Schutz der Ehe und Familie nicht rechtfertigt, die Eingetragene Lebenspartnerschaft zu benachteiligen. Damit widerspricht das Gericht fast wortwörtlich der Auffassung der CSU und ihres familienpolitischen Sprechers Norbert Geis.
Zu der heute veröffentlichten Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 (1 BvL 16/11) erklärt Manfred Bruns, Sprecher das „Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland“:
Das hatten alle Sachkundigen der Koalition bei der Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 2010 prophezeit. Die Koalition hatte damals Lebenspartner im Erbschaftsteuerrecht ab dem Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes am 01.08.2001 mit Ehegatten gleichgestellt, weil das das Bundesverfassungsgericht so angeordnet hatte. Bei der Grunderwerbsteuer hatte die Koalition die rückwirkende Gleichstellung mit der Begründung abgelehnt, dass „man sich beim Erwerb eines Grundstücks – anders als im Erbfall – frei für oder gegen den Erwerb entscheiden könne. Der Grundstückserwerb sei disponibel, der Erbschaftsfall hingegen nicht.“ Dazu hatte der LSVD in seiner Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht geschrieben: „Wir hatten es bisher nicht für möglich gehalten, dass staatstragende Parteien die Benachteiligung von Minderheiten damit rechtfertigen, dass die Betroffenen ja auf ihre Rechte verzichten könnten.“
Die Koalition muss diesen Rechtsbruch jetzt bis zum 31.12.2012 beseitigen. Besonders erfreulich ist, dass das Bundesverfassungsgericht eine Einschränkung der Rückwirkung mit deutlichen Worten abgelehnt hat. Die verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Lebenspartner sei seit Einführung der Lebenspartnerschaft erkennbar gewesen.
Wir erwarten von der Koalition, dass sie jetzt einlenkt und mit der Gleichstellung der Lebenspartner im Einkommensteuerrecht nicht mehr wartet, bis sie dazu vom Bundeverfassungsgericht erneut verurteilt wird.
Der FDP möchten wir zurufen: Die Ausrede, dass Schäuble nicht will, gilt jetzt nicht mehr!