Verschiedenheit muss kein Grund für Rivalität sein, sondern Ermutigung, nicht am eigenen Weg stehen zu bleiben.

Sehr geehrte Frau Ministerin Ziegler, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde

Ich begrüße sie herzlich im Namen der Landeskoordinierungsstelle für LesBiSchwule Belange des Landes Brandenburg und des Landesverbandes AndersARTiG e.V. hier am Potsdamer Stadthaus und heiße Sie zur Eröffnung des Brandenburger CSD willkommen und bedanke mich bei dem Trägerverein Katte e.V. für die Einladung hier zu sprechen.

Wenn man die letzten 2 Jahre, in denen hier am Rathaus in Potsdam die Regenbogenfahne zweimal gehisst wurde, mitzählt, können wir als Community auf immerhin 15 mal gehisste Regenbogenfahnen am Potsdamer Stadthaus zurückblicken. Ich bin sehr stolz, 14 mal dabei gewesen zu sein. Es ist nach wie vor ein Augenblick, der trotz der jährlichen Wiederholungen, immer noch mein Herz höher schlagen lässt und mich mit Freude erfüllt. Weiß ich doch, wie viel Ausdauer und Überredungskunst es brauchte, um dies in den vergangenen Jahren auch in anderen Städten des Landes zu erleben.

Zehn Jahre lang war das Hissen der Regenbogenfahne in Potsdam der Startschuss für die LesBiSchwule Tour des Landesverbandes AndersARTiG e.V. im Rahmen des CSD. Beginnend eine Woche vor dem Berliner CSD und endend auf dem Berliner CSD. In den ersten Jahren war dies ein gewagtes, innovatives Unternehmen. Einzigartig in der ganzen Bundesrepublik. Kein Bundesland beging so den CSD. Mit einem Infomobil fuhren wir eine Woche lang durch mehrere Städte. Machten Aufklärungs- Kultur- und Informationsveranstaltungen und hatten den Ehrgeiz, in jeder Stadt in der wir Tourhalt machten, die Regenbogenfahne zu hissen um Lesben und Schwulen vor Ort den Rücken zu stärken und die Diskussion in den Städten anzuregen.

Auch in diesem Jahr werden wir wieder auf Tour gehen. Wir gehen in Schulen und Jugendeinrichtungen und Schulen, machen Fortbildungen für Pädagoginnen, stehen mit unserem Info- Mobil auf auch kleinen Marktplätzen und suchen das Gespräch mit den Menschen.

In den 14 Jahren des Bestehens der Landeskoordinierungsstelle in Trägerschaft des Landesverbandes AndersARTiG e.V. ist in Zusammenarbeit mit vielen Kooperationspartnern, Vereinen, Initiativen und nicht zuletzt mit Unterstützung der Landesregierung ohne Frage viel erreicht worden. Viele weitere Projekte kamen hinzu, die nur eines zum Ziel hatten- Brandenburg zu einem Land mit zu gestalten, in dem Lesben und Schwule angstfrei, unbehelligt und gern leben.

Hier sind wir nun angekommen, im CSD Jahr 2008!

Der CSD Brandenburg beginnt heute mit buntem Fest, inmitten des Tulpenfestes, und hat gleichberechtigt seinen Platz neben allen anderen Veranstaltungen. Im Juni auf der Parade zum CSD in Berlin, werden wir uns aufrecht und selbstbewusst präsentieren. Heute ist es möglich, dass schwule und lesbische Polizisten, schwule Feuerwehrmänner, schwule Wirte und schwule Väter und lesbische Mütter mit ihren Kindern zusammen feiern . Und trotzdem ist es auch heute noch ein Ausnahmezustand: Ein schwules oder lesbisches Paar kann auch heute nicht in jedem Teil unseres Landes offen leben. Auch heute noch ist die Selbsttötungsrate bei Jugendlichen vor und im Coming-out fünfmal höher als bei heterosexuellen Jugendlichen.

Ich denke, es ist uns allen bewusst, dass die Erfolge im Inland vergessen machen könnten, dass die Lage für Lesben, Schwule Bi- und Transsexuelle und Transgender in großen Teilen der Welt bedrohlich geblieben ist. Wir haben eine Mitverantwortung für die Lesben und Schwulen in den Ländern, in denen die Menschen- und Bürgerrechte derzeit anders definiert und exekutiert werden als in Deutschland.

Das die vielen Aktivitäten und Projekte der letzten Jahre, als Signal von immer mehr Initiativen, kommunalen Vereinen und Arbeitsgemeinschaften aufgenommen wird, sich aktiv daran zu beteiligen, Brandenburg zu einem Land zu machen, in dem Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle und Transgender ohne Diskriminierung leben können , ist eine wundervolle Resonanz auf die in den letzten Jahren geleistete Arbeit.

Rege Vernetzung untereinander und der Austausch von Wissen und Erfahrung sind bereichernd für alle. Die Einbindung von kulturellen Veranstaltungen wie den flippigen und bunten „Queensday“ in eine so traditionsreiche Veranstaltung wie das Tulpenfest, ist eine hervorragende Möglichkeit, auch hier ein Zeichen für Vielfalt und Toleranz zu setzen. Für viele Besucher und Besucherinnen des Tulpenfestes ist der Queensday inzwischen ein Highlight ihres Potsdam Besuches. Die Bühnenshow zeigt einen von vielen Ausschnitten und Aspekten homosexuellen und transgender Lebens und ist ein hervorragender Beitrag des Trägervereins Katte e.V. zu einem friedvollen und gleichberechtigten Miteinander.

Gesetze haben sich zwar verändert, aber von einer Veränderung im Bewusstsein der Gesellschaft ist nach wie vor wenig zu spüren. Das Gesetz zur eingetragenen Lebenspartnerschaft wird zu einem toleranten und respektvollen Umgang miteinander beitragen – mit vernünftigen und praktischen Regelungen, die allen nützen.

Schwul-lesbische Vereine und Initiativen aber tragen dazu bei, diese Gesetze und die Verfassung, die sich das Land Brandenburg gegeben hat mit Leben zu erfüllen, sie leisten ehrenamtlich Bildungs- und Aufklärungsarbeit und fangen Menschen im Coming-out auf. Sie bieten Schutzräume und helfen Menschen dabei, sich zu emanzipieren, sich selbst anzunehmen und tragen zur Gewaltprävention bei.

Es sollte weiterhin Verpflichtung für die Landesregierung und Kommunalverwaltungen sein, diese Arbeit bestmöglich zu unterstützen und weiter aufzubauen.
Ohne die Zivilcourage des Einzelnen sind die Rechtstitel der Gesetze oft nur die Ansammlung wirkungsloser Werte.

Wir, der Landesverband AndersARTiG und die uns unterstützenden Organisationen und Einzelpersonen wollen auch weiterhin eine landesweit wirkungsvolle Aufklärungs- und Präventionsarbeit gestalten. Für uns ist es natürlich wichtig, die bisher erreichten landesweiten Qualitäten und Standards in den unterschiedlichen Projekten weiter fort zu führen.

Denn mit einer DVU im Landtag , mit wieder zunehmender rechter Gewalt, den negativen Ergebnissen neuester Studien zur Homophobie bei Jugendlichen ist noch nicht die Zeit gekommen, um sich auf den Lorbeeren auszuruhen und die gemeinsamen Ziele aus den Augen zu verlieren.

Dafür sind wir alle gefragt!

Unter den gegebenen Umständen können wir uns den Luxus nicht leisten, uns untereinander Konkurrenz zu machen, in dem Bestreben Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender ein lebenswertes und tolerantes Umfeld zu schaffen. Wir müssen danach trachten, nicht was uns trennt , sondern was wir gemeinsam haben und wollen herauszufinden.

Sich gegenseitig die ohnehin schon knappen Fördertöpfe abzujagen, dient nicht der Sache, sondern erschöpft Kräfte, die eigentlich an anderer Stelle- nämlich für das gleiche Ziel gebraucht werden. Verschiedenheit muss kein Grund für Rivalität sein, sondern Ermutigung nicht am eigenen Weg stehen zu bleiben. Daher wünsche ich mir, dass die von der Community eingeforderte Toleranz und Respekt von der Gesellschaft, auch innerhalb der Community den gleichen Stellenwert hat. Ich wünsche mir mehr Geschlechtergerechtigkeit, dass auch in neuen Projekten und Vereinen mehr acht darauf gegeben wird, Wünsche und Forderungen von Lesben gleichberechtigt in der Öffentlichkeit zu vertreten.

Ich wünsche mir, das wir auch innerhalb der Community Respekt vor der Leistung und der Kontinuität anderer haben und gemeinsam neue Ressourcen erschließen. Vereinte Kraft ist zur Herbeiführung des Erfolges immer wirksamer als zersplitterte oder geteilte.

Ich kann für die Landeskoordinierungsstelle und auch für den Landesverband AaiG heute noch mal mit Nachdruck sagen, dass nach wie vor der Ansatz und der Wille da ist, gemeinsame Stärke zu bündeln und wichtige Kooperationen weiter voran zu treiben.
Ich möchte nun enden mit einem Zitat eines römischen Philosophen namens SENECA der bereits 4 Jahre vor Christus etwas sagte, was auch heute nichts an Bedeutung verloren hat: Die menschliche Gesellschaft gleicht einem Gewölbe, das zusammenstürzen müsste, wenn sich nicht die einzelnen Steine gegenseitig stützen würden.

In diesem Sinne danke ich Ihnen und Euch für die Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen und den Veranstaltern viel Spaß beim umfangreichen Rahmenprogramm des Brandenburger CSD und viele interessante Begegnungen.

Drucken