Zerstrittene Gruppen an einen Tisch
Mit Erschrecken las ich, dass der Potsdamer Queensday vor dem Aus steht und das Land seit Jahren eine fragwürdige Förderpraxis wichtiger Queer-Projekte an den Tag legt. Wie in den vorhergehenden Jahren wurden demnach die Organisatoren auf eine mögliche Förderung durch Lottomittel vertröstet. Dass die Organisatoren „Teufelchen“ Jirka Wirtschak und Ralph Zachrau deshalb frustriert ankündigen, den traditionellen Potsdamer Queensday und auch den noch jungen Potsdamer CSD im kommenden Jahr ausfallen zu lassen, ist nachvollziehbar, wenngleich äußerst bedauerlich.
Sollte es wirklich so kommen, wäre das ein herber Verlust für die Potsdamer Homo-Szene. Wirtschak und Zachrau sind Initiatoren unterschiedlichster queerer Aktionen. Ob Fotoausstellungen, Filmnächte, das Internetportal „Gaybrandenburg“, das erst in 2012 gegründete „Haus der gefallenen Mädchen“ mit Wohnplätzen und Notfallübernachtungsmöglichkeiten, schwul-lesbische Spaziergänge oder eben auch der über die Stadtgrenzen hinaus bekannte kunterbunte Queensday – all das haben wir Wirtschak und Zachrau zu verdanken. Verschiedenste Projekte wurden ehrenamtlich und ohne dauerhafte Förderung des Landes auf die Beine gestellt. Dass nun auch 2013 weiterhin eine einseitige Förderung der in der Szene kaum bekannten Koordinierungsstelle „Anders-Artig e.V.“ vorgenommen wird, ist mir nicht nachvollziehbar. Unverständlich ist, warum ausgerechnet diese Stelle weiter gefördert werden soll, trotzdem sie ein gut gemeintes Mediationsverfahren – ohne Rücksicht auf vorherzusehende Verluste – strikt ablehnte. Wenn das Ziel der Bildung eines landesweiten Dachverbandes bisher nicht gelungen ist, sollten dazu weitere Bemühungen unternommen werden. Das Ministerium sollte sich möglichst neutral darum bemühen, die zerstrittenen Gruppen endlich zusammen zu bringen und den Streit nicht mit Verweisen auf „unzureichende Abrechnungen“ anfeuern. Das erzeugt Wut und Frust und haben alle ehrenamtlich engagierten Schwulen, Lesben und Transen nicht verdient. Für 2013 ist wichtig die Entscheidung zu überdenken und die Projekte verbindlich zu fördern, die im Stadtbild sichtbar und akzeptiert sind. Der queeren Potsdamer Szene muss auch zukünftig eine Alternative und Ergänzung zum nahen Berlin erhalten bleiben.
Franz-Josef Dönzerl, Potsdam